Der Ersatz (vor allem von Fleisch und Fisch) ist ein viel und heiß diskutiertes Thema. Nicht wenige stellen hier die Sinnfrage und auf beiden Seiten gibt es teils gut nachvollziehbare Argumente.
Ohne in diese Diskussion einsteigen zu wollen, soll hier jedoch zumindest mal klar werden, worüber wir eigentlich sprechen, gerade wenn es um DEN Fleischersatz geht - aber auch allgemein sollen hier Begrifflichkeiten geklärt und allgemein anwendbar voneinander abgegrenzt werden.
Grundsätzlich sollte man im Bereich Fleisch und Fisch zwischen Ersatzprodukten und Imitaten unterscheiden, das erleichtert die Diskussion und fördert eine differenziertere Sichtweise.
kurz erklärt:
Ersatzprodukte sind, wie der Name sagt, ein Ersatz und haben nicht den Anspruch auf Kongruenz mit dem "Original". Das wesentliche Merkmal ist, dass es sich hierbei meist um den Ersatz in der Form diverser Zubereitungen (z.B Aufschnitt, Bratwurst, Hackfleischprodukte wie Frikadellen, etc.) handelt.
Imitate hingegen sollen das "Original" nicht nur ersetzen, sondern haben auch den Anspruch auf bestmögliche Deckungsgleichheit in allen optisch-gustatorisch relevanten Bereichen, ebenso in ihrer prozessspezifischen Funktionsweise. Sie versuchen, den Gesamteindruck von Fleisch/Fisch möglichst vollumfänglich nachzubilden.
1. Fleischersatzprodukte
hierbei handelt es sich um Produkte, die in ihrer typischen Form beispielsweise an Fleischzubereitungen erinnern.
Klassische Beispiele solcher Zubereitungsformen sind Frikadelle/Burger, Wurst, Schnitzel. Hier steht die form- und charaktergebende Zubereitung im Fordergrund, jedoch täuscht die gustatorische und optische Wahrnehmung kein Fleisch vor. Diese Produkte sind vegan oder vegetarisch und können neben tierischen Produkten (z.B. Ei) auch naturgewachsene Pflanzen(teile) enthalten, aber auch texturiertes oder pulverförmiges Pflanzenprotein. Farb- und Aromastoffe, die etwa an Fleisch erinnern sind hier unüblich. Letztlich kann hiernach auch bereits die Gemüsefrikadelle als Fleischersatz angesehen werden, da sie in der Zubereitungsform "Frikadelle" das Fleisch durch Gemüse ersetzt,
2. Fleischimitate
Hierbei handelt es sich um hochverarbeitete, maschinell oder handwerklich konstruierte Produkte, die aufgrund ihrer Form, Farbe, Struktur und Geschmack bewusst ein tierisches Nahrungsmittel (Fleisch-/ Fischteil oder ganzes Tier) immitieren. Der gustatorische Eindruck soll sich hier so wenig wie möglich vom Original unterscheiden und auch die Funktionalität in der Weiterverarbeitung erinnert sehr an Fleisch.
In der Regel enthalten solche Fleisch- und Fischimitate neben Bindemitteln, Farb- und Aromastoffen vor allem auch texturiertes Pflanzenprotein, welches mittels Extrusionstechnik in eine Faserstruktur überführt wird. Gerade diese Kategorie scheint zu polarisieren.
Ei
Die oben genannte Definition/Unterscheidung kann auch auf andere Produkte wie Eier, Milch und Käse angewendet werden.
So ist das "vegane Ei" zum Beispiel auch nicht immer ein Imitat, da es entweder die technologische Funktionalität in verarbeiteter Form, oder in seiner Wahrnehmung ein Spiegel-, Rühr-, oder gekochtes Ei imitieren soll (ob es das auch tut, wird hier nicht erörtert).
Auch hier gilt die oben erklärte gustatorische "Wahrnehmungsgrenze" - Verarbeitet (Auflauf, Teige und Massen, etc.) ist es eindeutig als Ersatz einzustufen. Stellt es jedoch ein Ei in typischer Zubereitung (gekochtes, Spiegel-, oder Rührei) nach, handelt es sich um ein Imitat. Abhängig von der Anwendung, kann Ei auch völlig natürlich ersetzt werden, den Unterschied wird man jedoch beim Verzehr wahrnehmen. Klassisches Beispiel wäre hier die Zubereitungsform des Auflaufs - normalerweise i.d.R. ist es hier Vollei, welches die Bindung/Gelierung der Masse bewirkt. In veganen Gerichten wird oftmals das Ei mit Stärke ersetzt, was zumindest in dieser Anwendung (Thema Schnittfestigkeit) funktioniert.
Milch
Auch wenn vegane Milchanaloga nicht mehr als Milch bezeichnet werden dürfen, ist dennoch klar, was diese ersetzen/imitieren sollen. Auch hier gibt es einen Unterschied, den man anhand des Haferdrinks gut erklären kann:
Klassischer Haferdrink ist milchig, emulgiert und schmeckt arttypisch. Er hat i.d.R. eine schwache, instabile Schaumbildung (abhängig von der Herstellung) und stellt einen guten Milchersatz für den Alltag dar. Ersatz deshalb, weil er sehr offensichtlich keine Milch ist und diese sich auch nur bedingt damit ersetzen, jedoch nicht imitieren lässt (Herstellung von Cappucchino oder Käse wäre hiermit nicht möglich).
Es gibt jedoch auch Haferdrink, der mit Soja (einem Protein mit unter anderem sehr guter Schaumbildung) versetzt ist. Häufig werden hierfür Bezeichnungen mit Barista verwendet, was auf die (stabile) Schaumbildung hinweisen soll. Hier kann man schon eher von einem Imitat sprechen, da durch die Mischung mit diesem vielseitigen Protein (neben Erbse oder Bohne) die Emulsion besser gelingt und somit die Barista-Qualität auch weißer erscheint. Der reine Sojadrink ist hier aber sicher das beste Beispiel für ein Imitat - hier ist Dicklegung (Tofu) genauso möglich wie eine rein weiße Farbe oder Schaumbildung/-stabilität und (das Wichtigste eigentlich) auch in Sachen Proteingehalt kommt Sojamilch am besten weg.
Käse
Hier kann man der Definition nach mittlerweile fast ausschließlich von Imitaten sprechen, da sehr viele Produkte nicht nur optisch und mundhaptisch die Intention der Hersteller erkennen lassen, sondern auch in Sachen Aroma und Funktionalität (Schmelzverhalten).
Fazit
Aktuell sind wohl vor allem vegane Alternativen für Fleisch und Fisch im Focus der "Verzehrswende", aber dabei wird es nicht bleiben. Bereits jetzt sind insekten- und pilzbasierte Produkte in der Pipeline und es wird sicher nicht lange dauern, bis es auch hier standartisierte Texturate, isolate und eine völlig neue Pallette an Möglichkeiten geben wird. Veganismus wird sich in Zukunft, wie auch seinerzeit die vegetarische Ernährung, in die Reihe der vielen verschiedenen Ernährungsrichtungen einbetten und es werden neue Trends kommen, die neue Produkte und Kontroversen hervorbringen.
Natürlich wird das "Original" in den meisten Fällen (vor allem pur verzehrt) immer zweifelsfrei erkennbar sein, jedoch gilt auch gerade für im Conviniencebereich verwendete Imitate: je höher der Verarbeitungsgrad, desto besser der Effekt - ein Schokokuchen mit veganem Ei-Ersatz wird sein Geheimnis ebenso wenig preisgeben, wie das vegane "Pulled Pork", oder die Lasagne, etc. - es wird einfach nur lecker und hoffentlich gesund sein.
Die Chancen stehen sehr gut, dass wir als Gesellschaft zukünftig eine Situation haben werden, in der wir individuell aus einem breiten Angebot an Möglichkeiten und Köstlichkeiten wählen können. Dies sollte dann auch der Punkt sein, an dem sich der ( wie auch von mir verwendete) Originalitätsbegriff erübrigt und neue texturierte Lebensmittel aus anderen Quellen entstehen, die für sich selbst stehen - neue Nahrungsquellen und Ernährungsgewohnheiten, die nebeneinander koexistieren und voneinander profitieren können, im privaten wie im gastronomischen Bereich.
... also offen bleiben und ausprobieren!